Anders einkaufen

Unser Lebensmittelsystem ist mitverantwortlich für Umweltzerstörung, Klimawandel und Artensterben sowie für die Ausbeutung von Bauern. Alternativen in Form von Genossenschaften, Foodcoops oder Gemeinschaftsgärten zeigen, wie anders einkaufen funktionieren kann. Ein Überblick.

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Die konventionelle Landwirtschaft mit Monokulturen und Pestiziden trägt maßgeblich zur Umwelt- und Klimakrise bei: Laut EU sind 21 bis 37 Prozent aller durch Menschen verursachte Treibhausgasemissionen auf Produktion, Transport, Verarbeitung und Verteilung von Lebensmitteln zurückzuführen. Dazu kommen lange Transportwege und Lebensmittelverschwendung. 

Die Supermärkte sind Teil dieses Systems, und in Österreich gibt es so viele wie nirgendwo sonst in der EU: Auf 100.000 Einwohner:innen kommen 50 Supermärkte – doppelt so viele, wie etwa in Deutschland. Vier Handelsketten kontrollieren rund 90 Prozent des österreichischen Marktes: REWE Group, Spar, Hofer und Lidl, zugleich verschwinden Greißler oder kleine Läden zunehmend von den Straßen.

Positive Trends

Bei allen Problemen ist ein langsamer, aber beständiger Wandel sichtbar. So ist Österreich etwa bei der Bio-Landwirtschaft Vorreiter: 2021 wurden rund 27 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche biologisch bewirtschaftet. Das wirkt sich auch auf das Sortiment der Supermärkte aus: Die großen Lebensmittelketten bauen ihr Bio-Angebot in Form der Eigenmarken Ja!Natürlich (Billa), Zurück zum Ursprung (Hofer) oder Natur Pur (Spar) kontinuierlich aus.

Beim EU-Bio-Award 2023 gab es gleich drei Preisträger aus Österreich: Das Burgenland wurde als beste Bio-Anbauregion ausgezeichnet, Wien mit der stadteigenen Lebensmittelmarke Wiener Gusto als beste Bio-Stadt. Die österreichische Hauptstadt hat ein umfassendes Bio-Konzept „vom Hof auf den Tisch“ für ihre Einwohner:innen entwickelt und zählt mit rund 2.000 Hektar Acker- und Weinanbauflächen zu den größten Bio-Betrieben Österreichs. Die Luftburg-Kolarik im Wiener Prater erhielt den Preis für das beste Bio-Restaurant in der EU.

Darüber hinaus gibt es in Österreich immer mehr Alternativen, die von engagierten Menschen oder solchen, die gerne anders einkaufen würden, ins Leben gerufen werden. Sie investieren Zeit und Geld, um einem ausbeuterischen System etwas entgegenzusetzen. Viele dieser Projekte beruhen auf Eigeninitiative und ehrenamtlicher Tätigkeit bzw. sind selbst organisiert.

Ob Erzeugergemeinschaft oder Bauernmarkt, als Konsument:innen bieten sich verschiedene Möglichkeiten, anders einzukaufen. 

Genossenschaften und Erzeugergemeinschaften

Wir gründen einen Supermarkt! Das alternative Konzept zum Supermarkt der großen Lebensmittelhandelsketten ist der genossenschaftliche Supermarkt. Wer sich als Gemeinschaft zusammenschließt, um ideelle oder wirtschaftliche Ziele zu verfolgen, wie z.B einen Supermarkt zu gründen oder gemeinsam Gemüse anzubauen, bietet sich die Genossenschaft als Rechtsform an. Die Mitglieder dieser Initiativen entscheiden demokratisch, teilen das Risiko und profitieren von den selbst geschaffenen Strukturen. 

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© morgenrot

morgenrot

„Wir wissen, dass wir das vorherrschende System nicht ändern können, deshalb sehen wir die Veränderung im Aufbau paralleler Strukturen.“ Martin Gerstl ist Gründungsmitglied der Wiener Genossenschaft morgenrot, in der Produzent:innen landwirtschaftliche Produkte und Kund:innen zusammengebracht werden.

Das vorherrschende Lebensmittelsystem beruht auf der Ausbeutung der Bauern, die nur einen Bruchteil dessen kriegen, was wir im Geschäft für ein Produkt bezahlen.

Martin Gerstl, morgenrot

„Das Ziel von morgenrot ist die Regionalisierung von Verarbeitung und Logistik, damit mehr für die Bauern übrigbleibt“, sagt Gerstl.

Daher kauft morgenrot möglichst direkt bei den Produzent:innen ein und unterstützt Kleinbauern. Das Motto lautet: So nah wie möglich, so weit wie nötig. Zu den Lieferanten zählt unter anderem der Bio-Großhandel Bersta, eine ehemalige Genossenschaft.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei der regenerativen Landwirtschaft als Gegenpol zu Monokulturen: „Monokultur bedeutet eine Landwirtschaft, die extrem anfällig ist“, erklärt Gerstl und betont, dass auch Bio in Monokultur keine Lösung sei. „Wenn wir weltweit regenerative Landwirtschaft hätten, gäbe es keinen Klimawandel.“

morgenrot ist derzeit noch auf der Suche nach einem Standort für ein Geschäft in Wien. Der Mitgliedsbeitrag für die Genossenschaft beträgt 300 Euro für Kund:innen und 1000 Euro für Produzent:innen. Für Interessierte werden zweimal im Monat Infoveranstaltungen angeboten. Das Ziel sind mindestens 300 Mitglieder, um einen alternativen Supermarkt in Wien zu ermöglichen, derzeit sind es rund 100 Mitglieder. Mitglieder von morgenrot fördern durch ihre Kaufentscheidung regenerative Landwirtschaft und unterstützen Kleinbauern.

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MILA Supermarkt © Susanne Wolf

MILA: Der Mitmach Supermarkt

Wien, Ottakring, an einem Samstagvormittag: In dem kleinen Laden in der Haberlgasse herrscht reger Betrieb. Regionales Obst und Gemüse sowie Lebensmittel von Kaffee bis Nudeln sind hier erhältlich. „90 Prozent unserer Lebensmittel sind Bio, geliefert werden sie vom Wiener Biohof Mader sowie von Genossenschaften wie Milchkandl oder Kasladen“, erklärt Brigitte Reisenberger. Sie ist Teil der Genossenschaft MILA Mitmach Supermarkt, die sich im Februar 2023 gegründet hat. 

Der Miniladen in Ottakring ist die Zwischenstation auf dem Weg zu einem Supermarkt, der Lebensmittel in hoher Qualität zu fairen, günstigen Preisen für alle Mitglieder bieten soll. Mitmach-Supermarkt deshalb, weil die Mitglieder einige Stunden pro Monat mithelfen, aufgeteilt in Arbeitsgruppen für Sortiment, Finanzen oder Öffentlichkeitsarbeit.

Barbara, die im Miniladen hinter der Kassa steht, erzählt begeistert, wie sehr die Mitarbeit bei MILA die Gemeinschaft und das Grätzl stärkt.

Ich war von Anfang an beeindruckt von der Professionalität und der Vielfalt der regionalen Produkte.

Barbara, Mila

Gesucht werden noch Mitglieder, die dieses Projekt gemeinsam mittragen wollen. Derzeit steht die Suche nach einem Standort für den Supermarkt im Vordergrund. Zur Eröffnung des großen MILA Mitmach-Supermarkts werden 1.500 Genossenschaftsmitglieder benötigt, damit der Supermarkt gut anläuft, derzeit sind es rund 320 Mitglieder.

Der Genossenschaftsanteil bei MILA ist sozial gestaffelt; der Regel Anteil beträgt 180 Euro, der Sozialanteil 20 Euro. Interessierten mit höheren finanziellen Möglichkeiten wird empfohlen, mehrere Anteile zu zeichnen. Jede Stimme zählt gleich viel und jedes Mitglied hat genau eine Stimme, egal wie viele Anteile erworben werden.

Foodcoops

Foodcoops sind genossenschaftlich organisierte Einkaufsgemeinschaften, die selbstorganisiert biologische Produkte direkt von lokalen Bauernhöfen, Gärtnereien oder Imkereien beziehen. Die Idee dahinter ist, dass Vertrauen nicht allein auf der Ebene von Gütesiegeln, sondern auf direkten Kontakten basiert.

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Hofkollektiv Zwetschke © Susanne Wolf

Hofkollektiv Zwetschke: Gemeinsam leben und wirtschaften

Stärkung der regionalen Landwirtschaft, Bio-Produktion, kurze Lieferwege und Transparenz sind die Hauptmotive, die Menschen dazu bewegen, sich in einer  FoodCoop zu engagieren. Die Mitglieder organisieren den Einkauf gemeinschaftlich und beziehen ökologische Produkte meist direkt von Erzeugern aus der Region. Ankauf, Lagerung und Verteilung wird von den Mitgliedern selbst durchgeführt und erfolgt ehrenamtlich. Dieser zeitliche Aufwand wird jedoch von der Kostenersparnis ausgeglichen: da die Kosten des Einzelhandels wegfallen, kommen die Lebensmittel günstiger. 

Am Hofkollektiv Zwetschke im Waldviertel hat sich rund um Theresa Stöckl eine kleine Einkaufsgemeinschaft etabliert. Nahe Zwettl liegt, von viel Natur umgeben, der Hof, der derzeit von drei Erwachsenen und zwei Kindern bewohnt wird.

„Als Wohnkollektiv ist es uns wichtig, für uns und unsere Gäste vor allem regional und saisonal einzukaufen. Wir möchten kleinbäuerliche, biologische Landwirtschaft fördern, indem wir Lebensmittel direkt von den Produzent:innen beziehen“, erklärt Stöckl. Das eigene Gemüse, das am Hof angebaut wird, tauschen die „Zwetschken“ auch mit den Nachbarn, gegen andere Sorten oder Kräuter – oder gegen Mithilfe beim Ernten. „Das kann auch mal ein Tausch von Salat gegen Hühnerfutter sein“, erzählt Stöckl.

Die Foodcoop bestellt bei Bedarf bei Bersta, einer ehemaligen Genossenschaft, die nun als Naturkostgroßhandel agiert. Bersta organisiert die Abholung und Verbreitung von Produkten auch von vielen Bäuer:innen aus dem Waldviertel.

Es gibt so viele verschiedene Organisationsformen von Foodcoops wie es Menschen in diesen gibt.

Theresa Stöckl, Hofkollektiv Zwetschke

„Sie alle können mitgestalten und gemeinsam entscheiden, wie die Foodcoop funktioniert“, betont Stöckl.

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Hofkollektiv Zwetschke © Susanne Wolf

Solidarische Landwirtschaft (SoLawi)

In der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) tragen mehrere Personen die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten. Durch den persönlichen Bezug zueinander erfahren sowohl die Produzent:innen als auch die Verbraucher:innen die vielfältigen Vorteile einer marktunabhängigen Landwirtschaft.

GeLa Ochsenherz: Kooperation statt Konkurrenz

China Choi, Gemüsemalve, Sprossenkohl – in Gänserndorf bei Wien werden alte Gemüsesorten neben Altbekannten angebaut. Die Ernte wird unter den Mitgliedern der Gela Ochsenherz – Gela steht für „Gemeinsam Landwirtschaften“ – im Sinne der solidarischen Landwirtschaft aufgeteilt. 

In einer Solawi gehen Erzeuger:innen und Verbraucher:innen von Lebensmitteln eine Partnerschaft ein mit dem Ziel, faires, nachhaltiges und regeneratives landwirtschaftliches Arbeiten zu ermöglichen und die Versorgung mit gesunden regionalen Lebensmitteln zu gewährleisten

Susanna Kohlweiß-Czerny, GeLa Ochsenherz

Derzeit hat der Verein rund 350 Mitglieder, die gemeinsam die Kosten für Anbau, Pflege und Ernte der Nahrungsmittel übernehmen und sich die Ernte teilen. Das ist bei einer freien Entnahme am Wiener Naschmarkt möglich oder in Form eines Gemüsekisterls. „Von Juni bis November liefern wir wöchentlich Ernteanteile mit saisonalen Gemüsesorten und darauf abgestimmten Rezepten an 14 Abholstandorten in Wien und Umgebung“, erklärt Susanna Kohlweiß-Czerny. 

Solidarisch bedeutet beim Verein Ochsenherz auch, dass man sich bei den Mitgliedsbeiträgen selbst einschätzen kann, der vorgeschlagene Durchschnittswert beträgt 135 Euro pro Monat. Wer mag, kann zusätzlich am Feld oder beim Abholstand am Naschmarkt mithelfen.

Adamah © Thomas Apolt

Bio-Kistl, Bauernmarkt und Dorfladen

Ein zunehmendes Bewusstsein der Konsument:innen sorgt dafür, dass sich Alternativen zum Supermarkt wie Bio-Kistl, Bauernmarkt und Dorfladen in der Stadt und am Land wachsender Beliebtheit erfreuen. Wie beim Ab-Hof-Verkauf werden die Produkte meist direkt von den Erzeuger:innen vermarktet. 

Dorfläden: Lebensqualität und Nahversorgung

Die Vorteile von Dorfläden sind vielfältig: Dörfer werden wiederbelebt und die Versorgung mit regionalen Produkten gesichert. Kurze Wege für Lebensmitteltransporte sowie für die Konsument:nnen tragen zum Umwelt- und Klimaschutz bei. 

Vorarlberg liegt hier ganz vorne. Dank der Nahversorgungs-Förderung des Landes Vorarlberg konnte das langjährige Ladensterben gestoppt werden,  derzeit gibt es über 50 Dorfläden. „Seit 2008 gibt es Betriebskostenzuschüsse für die Läden, was gerade in Zeiten der Inflation und steigender Energiepreise dringend notwendig ist“, sagt Karlheinz Marent vom Verein Dorfleben. Der Verein bietet Beratung für Gemeinden und Dorfläden zu den Themen Lebensqualität und Nahversorgung sowie gegenseitigen Austausch.

Im Dorfladen gibt es Waren für den täglichen Bedarf, von Brot und frischem Obst bis zu Zahnbürsten und Putzmittel. Und bei einem „Schwätzle“ erfahren die Dorfbewohner:innen die neuesten Neuigkeiten.

Dorfläden sind in vielen Dörfern die letzten Begegnungsorte, da immer mehr Metzger oder Postfilialen zusperren.

Karlheinz Marent, Verein Dorfleben

„Das beste Beispiel ist die Berta in der Gemeinde Düns, die jeden Tag auf einen Kaffee in den Laden geht. Wenn sie einmal nicht kommt, ruft die Ladenbesitzerin bei ihr an und fragt, was los ist“, erzählt Marent.

Ohne Förderungen haben Dorfläden es nicht leicht, das zeigt die Lage in den anderen Bundesländern, wo Betreiber oft ums Überleben kämpfen. Hier sind kreative Lösungen gefragt, etwa die Gründung einer Genossenschaft wie in St. Margareten im Lungau. 

Einkaufen im Container

Selbstbedienungscontainer mit regionalen Produkten ist das Angebot der Dorfladenboxen, die sich inzwischen an 14 Standorten in Österreich finden. Die Selbstbedienungsläden werden mit der dazugehörigen App, über die auch gezahlt wird, betreten. Jedes Produkt ist mit einem Strichcode etikettiert, der selbst gescannt werden kann.

Ganz ähnlich funktioniert auch der Kastlgreißler mit 17 Standorten- das ostösterreichische Pendant verzichtet allerdings auf eine App, setzt auf Selbstverantwortung und ermöglicht Barzahlung.

Adamah © Thomas Apolt

Bio-Kistl: Frisch geliefert

Der Biohof Adamah im niederösterreichischen Marchfeld gehört zu den größten Anbietern von Bio-Kisteln in Österreich (Weitere Anbieter unten in den Linktipps). Seit der Gründung des Hofs im Jahr 1997 durch Gerhard und Sigrid Zoubek entwickelte sich der Bio-Betrieb ständig weiter und ist heute rund 100 ha groß.

Das Obst und Gemüse für die Bio-Kisteln stammt von den eigenen Feldern sowie von benachbarten Partnerbetrieben, aber auch aus Italien oder Spanien. Bio-Salate und Bio-Kräuter wachsen bei Adamah in unbeheizten Folienhäusern auch in der kalten Jahreszeit. Die Bio-Kistl sind in verschiedenen Größen und Variationen erhältlich, man kann je nach Bedarf selbst ein Kistl zusammenstellen oder befüllen lassen.

Bauernmärkte

Bauernmärkte gibt es beinahe in jedem größeren Ort, sie sind für viele Menschen eine wichtige Einkaufsquelle für regionale und saisonale Produkte. Ein Marktstand bietet den Landwirten die Möglichkeit, ihre selbst erzeugten Lebensmittel in der Stadt anzubieten. Das Sortiment reicht von Obst und Gemüse über Fleisch, Fisch, Wurst, Käse und Brot bis zu Eingemachtem, Honig oder Gewürzen.

Bauernladen in Wien

Helene und Gerhard Ziniel aus Frauenkirchen im Burgenland sind Inhaber:innen des Bauernladens Helene. Sie vertreiben neben eigenen Produkten auch die von mehr als 30 Landwirt:innen und Partner:innen aus der Region – online und an drei Standorten in Wien. Angeboten werden regionale und saisonale Produkte aus dem Burgenland, Niederösterreich und der Steiermark, neben Obst und Gemüse, das am Samstag auch an ihrem Stand am Wiener Naschmarkt Bauernmarkt erhältlich ist, sind auch Teigwaren, verschiedene Getreidesorten, Reis, eingelegtes Gemüse, Säfte, Milchprodukte etc. im Sortiment.

©Bauernladen Helene

markta: Der digitale Bauernmarkt

2017 startete markta als Online-Plattform für bäuerliche, regionale Produkte aus nachhaltiger Erzeugung. In Form von wöchentlichen Abos können hier Lebensmittelkisterl oder einzelne Produkte bestellt werden. Im Sommer 2023 wurde die erste Filiale in der Wiener Alserstraße eröffnet. markta möchte wie auf einem Bauernmarkt die Beziehung zwischen Konsument:innen und Produzent:innen stärken. 

Im Geschäft liegen Informationsmaterialien zu Produzent:innen sowie den nachhaltigen Anbau- und Arbeitsbedingungen auf. Dazu finden regelmäßig Verkostungen und Workshops mit markta Produzent:innen statt. „Damit möchten wir die Anonymität auflösen, die im Lebensmitteleinzelhandel vorherrscht“, erklärt Julian Sparrer.

Wir hinterfragen bestehende Strukturen im Lebensmittelhandel und wollen es anders machen. Das bedeutet, dass wir unsere Produkte so nah wie möglich beziehen und all unsere 200 Betriebe fair entlohnen.

Julian Sparrer, markta

Bei markta bekommen die Produzent:innen durchschnittlich 60-70 Prozent des Umsatzes, das ist weit mehr als im konventionellen Lebensmittelhandel. „Im Schnitt kriegen Landwirt:innen nur ein Viertel dessen, was der Handel beim Lebensmitteleinkauf bekommt“, so Sparrer. Dennoch sind die Preise der Grundnahrungsmittel bei markta vergleichbar mit herkömmlichen Supermärkten, bei Gemüse liegen sie oft darunter. „Unser oberstes Ziel ist aber nicht die Vergleichbarkeit mit der Konkurrenz, sondern die Fairness“, betont Sparrer. „Speziell bei Fleisch sind artgerechte Tierhaltung und faire Bezahlung der Bäuer:innen oft nicht vereinbar mit dem im Handel herrschenden Preiskampf.“

Gemeinsam gärtnern im Wiener Wohnprojekt © Susanne Wolf

Gemeinsam gärtnern: Ein Garten für Viele

Für Menschen in der Stadt, die weder einen Garten noch Balkon besitzen, kann ein Gemeinschaftsgarten eine gute Lösung sein. Die Zahl der Gemeinschaftsgärten in Österreich wächst beständig, die Flächen dafür gehören oft öffentlichen Trägern wie Städten, Kommunen, Kirchen oder Stiftungen. Kosten für Wasser, Versicherung oder Abfall werden meist zur Gänze von der Stadt oder anteilig von den Gärtner:innen übernommen. 

Dabei geht es nicht nur darum, Gemüse anzubauen, sondern auch um den sozialen Aspekt: Hier kommen Menschen zusammen, die die Liebe zur Natur verbindet, oft aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten und Kulturen. Auch die Umwelt profitiert vom Gemeinschaftsgarten, gerade in Städten: Er bietet Vögeln und Insekten einen Rückzugsort und fördert damit die Biodiversität, er verbessert das Mikroklima und die Luft.

Die Stadt Wien fördert unter dem Motto „gemeinsam garteln“ aktiv Nachbarschafts- und Gemeinschaftsgärten, sowohl finanziell als auch durch Service und Beratung. Diese sollen die Nachbarschaftsbeziehungen stärken und sind ein aktiver Beitrag zur Grünraumgestaltung in der Stadt.

Zudem bietet die Stadt Wien Gemüsepachtparzellen an, auch auf den Ökoparzellen des Bio-Zentrums Lobau können Interessierte Bio-Gemüse anbauen und ernten, Pächter ist der Biohof Radl, nicht der einzige Anbieter im Wiener Umland.

Die Selbstanbau Parzellen werden für jeweils eine Gartensaison an Interessierte abgegeben. Eine Parzelle mit 40m2 kostet je nach Anbieter und Bezirk zwischen 220 und 260 Euro pro Saison. Angebaut und geerntet werden klassische regionale Arten wie Erdäpfel, Karotten, Zwiebel, Lauch, Mangold, Gurken, Kürbis oder Zucchini. Der Betrieb übernimmt dabei meist Bodenbearbeitung, Düngung und Aussaat, manche bieten auch Geräte und Beratung an.

Lebensmittel retten

Auch das Bewusstsein für Lebensmittelverschwendung, hier vor allem das Wegschmeissen noch geniessbarer Lebensmittel steigt, wie die folgenden Initiativen und Start-Ups zeigen.

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Unverschwendet © Susanne Wolf

Unverschwendet: Gutes aus gerettetem Obst und Gemüse

Der Schwendermarkt im 15. Wiener Gemeindebezirk: auf einem der ältesten Märkte der Stadt befindet sich das Geschäft von Unverschwendet, das von Cornelia und Andreas Diesenreiter gegründet wurde. Das Unternehmen übernimmt Lebensmittelüberschüsse aus der Landwirtschaft und arbeitet mit Betrieben zusammen, die Produkte wie Chutneys, Marmeladen oder Senf daraus herstellen. 

Die Menge der in der Landwirtschaft anfallenden Lebensmittelabfälle wird auf 167.000 Tonnen jährlich geschätzt. Die Gründe für Überproduktion sind vielfältig: Die Lebensmittel sind zu klein, zu groß, zu krumm oder es ist gerade kein Transporter verfügbar. Doch auch die Unwägbarkeiten der Natur spielen eine Rolle.

Wenn ein Supermarkt beim Bauern eine bestimmte Menge Melanzani bestellt, muss dieser 120 bis 160 Prozent anbauen, damit die bestellte Menge geliefert werden kann – weil er das Risiko von Hagel, Sturm oder Trockenheit mit einberechnet.

Andreas Diesenreiter, Unverschwendet

Seit Oktober 2022 gibt es bei Hofer Produkte der Marke Rettenswert zu kaufen, eine Kooperation mit Unverschwendet. Darunter befinden sich Köstlichkeiten wie Karotten-Pesto, eingelegte Zucchini oder Kürbis-Ketchup. 


Feld:schafft
©feld:schafft

feld:schafft: Das Ungenutzte nutzen

Die Innsbrucker Genossenschaft feld:schafft sammelt Lebensmittel, die aus der (Normen)Reihe tanzen und verwandelt sie in Form eines Caterings zu Produkten und Gerichten. Das Gemüse kommt von Landwirten aus der Umgebung.

Wir haben uns viel mit dem Thema Lebensmittelabfälle und der Nutzung von Ressourcen beschäftigt und wollen mit unserer Arbeit Bewusstsein schaffen

Claudia Sacher, feld:schafft

Neben der Verarbeitung von Lebensmitteln geschieht dies auch in Form von Bildung. Im Rahmen der Feld:Schule wird Schüler:innen wertvolles Wissen rund um Lebensmittel vermittelt. Teil der Bildung ist auch der Innsbrucker Weltacker. Dort werden Ackerkulturen im gleichen Verhältnis angebaut, wie sie auf den Feldern weltweit wachsen. Zudem stellt der Weltacker globale Hauptkulturen durch regionale Kulturen dar, statt Baumwolle wachsen z.B. Flachs und Leinen.

Der Genossenschaftsbeitrag für Mitglieder beträgt mindestens 250 Euro. „Wir haben derzeit 32 Mitglieder, davon sind neun aktiv“, sagt Claudia Sacher. 

afreshed

afreshed: Zero Waste als Ziel

Wir fokussieren uns auf die Arbeit direkt mit Landwirt:innen und nehmen die Ware, die sie nicht verkaufen können.

afreshed

Das Startup afreshed wurde 2021 von drei Linzer Maturanten gegründet, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Aktuell wird mit der FH Hagenberg an einem Tool für Landwirt:innen geforscht, mit dem man Überschüsse schon prognostizieren kann, bevor sie entstehen.

In Form von Retterboxen wird nicht verwendetes Bio-Gemüse weitergegeben, bevor es im Müll landet – die Zustellung erfolgt in Oberösterreich, Niederösterreich und Wien. Jede Lieferung ist eine Überraschung. Die Retterbox enthält Gemüse, das gerade geerntet wurde, aber nicht der vorgegebenen Norm entspricht.

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To Good To Go

To Good To Go: Gemeinsam gutes Essen retten

Jeden Tag werden unverkaufte Lebensmittel in Restaurants, Cafés, Supermärkten oder Hotels weggeworfen, weil sie nicht rechtzeitig verkauft wurden. Nutzer:innen der App Too Good To Go können dem entgegenwirken, indem sie Überraschungssackerl gefüllt mit noch guten Lebensmitteln zu einem vergünstigten Preis retten.

Zusammen mit österreichischen und internationalen Produzent:innen sowie Umweltministerin Leonore Gewessler hat Too Good To Go die Kampagne „Oft Länger Gut“ ins Leben gerufen. Sie soll auf die Missverständnisse rund ums Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) aufmerksam machen: Das MHD sagt nur, bis wann ein Produkt seine Eigenschaften wie etwa die Konsistenz behält. Es besagt nicht, ab wann das Produkt nicht mehr konsumiert werden sollte. Konsument:innen sind aufgefordert, Lebensmittel mit abgelaufenem MHD mit allen Sinnen zu testen – schauen, riechen, probieren – bevor sie weggeschmissen werden.Ein Greenpeace-Test ergab, dass Eier oder Frischkäse auch 28 Tage nach Ablauf des MHD noch genießbar waren.

Weiterlesen? Mehr zu regenerativer Landwirtschaft in Permakultur: Die Natur nachahmen

Nach dem Leserkommentar von Bernd Fischer haben wir die betreffende Passage im Artikel am 22.11.2023 korrigiert. Nachdem unsere Recherche keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, freuen wir uns über Hinweise auf Anbieter:innen und Initiativen, die wir gerne in die Linkliste aufnehmen.


Die wichtigen Gesellschaftsthemen sind relevant.


3 Antworten zu „Anders einkaufen“

  1. Avatar von Bernd Fischer
    Bernd Fischer

    Danke! dass ihr das Spotlight auf uns alternative Nahversorger richtet und über uns berichtet.
    Kleine Textkorrektur muss ich aber doch anbringen, wir sind nicht die Lieferanten von Morgenrot,… übringens auch nicht die Speis, sondern vergleichbare Intitiativen. Um genau zu sein gibt es uns schon ein bisserl länger und wir durften die anderen dazu inspirieren, unsere Idee weiter zu entwicklen. Wir betreiben selbst seit 2019 den ersten genossenschaftlichen Selbstbedienungssupermarkt in Österreich UMS EGG in Losenstein und inzwischen 3 weitere Standorte. Wir arbeiten und kooperieren bei der Entwicklung unseres Konzeptes sehr eng mit Martin Gerstl zusammen, der uns da auch mit seinem KnowHow unterstützt. Wir freuen uns das die Bewegung langsam wächst.
    Sehr erfreut haben wir durch den Artikel auch wieder neue Intitiativen nun wahrgenommen. Danke für euer Netzwerken by the way!
    Und wieder mal können wir alle von Vorarlberg lernen… !
    liebe Grüße
    die Dorfgenossenschaft UMS EGG eG

    1. Avatar von Nina Schnider
      Nina Schnider

      Lieber Bernd Fischer,

      vielen Dank für den Kommentar, die Richtigstellung und das Kompliment, dass uns sehr freut. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert und UMS EGG in die Linkliste aufgenommen. Im Zuge der Recherche durften wir lernen, dass es wirklich viele grossartige Initiativen gibt in Österreich und freuen uns total, wenn die Liste wächst!

      Viele Grüße,
      Nina Schnider

  2. Avatar von Bernd Fischer
    Bernd Fischer

    PS: wir freuen uns, wenn ihr uns in eure Liste der Anbieter und Initiativen aufnehmen wollt. Danke! 😉

    http://www.ums-egg.at

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