Humus für gesunde Böden

Humusaufbau in der Landwirtschaft trägt wesentlich zu einem gesunden Boden bei. Die Mitglieder der Humusbewegung geben ihr Wissen an Interessierte weiter.

Humus Aufbau Landwirtschaft

Im Waldviertel, hoch im Norden Österreichs, befindet sich der Bio-Bauernhof der Familie Stark. Neben Schweine- und Rinderhaltung wird hier auch Getreide- und Gemüseanbau betrieben. Dinkel, Roggen, Hafer, Gerste, Erbsen, Bohnen, Kartoffeln und Mais wachsen auf den Feldern, dazu Begleitsaat zur Bodenverbesserung.

„Wenn die Kartoffel im Herbst abstirbt, wird das Bodenleben dadurch weiter ernährt“, erklärt Hubert Stark, während er mich über seinen Hof führt.

Beiläufig erwähnte Sätze wie dieser zeugen vom großen Erfahrungsschatz des Biobauers, der die Humus Bewegung mitbegründet hat, um sein Wissen an andere Landwirt:innen weiterzugeben. Bereits 2012 wurde Stark Teil des Humus Plus-Projekts der Ökoregion Kaindorf, später lernte er bei Dietmar Näser, einem der Pionier:innen der regenerativen Landwirtschaft. 

Humus aufbau Landwirtschaft
Hubert Stark nennt die Humusbewegung eine ökosoziale Friedensbewegung, er möchte die Bäuer:innen „aus dem Kampfmodus bringen“. © Susanne Wolf

Altes Wissen neu angewandt

Hubert Stark wühlt konzentriert in der Erde und hält sich eine Handvoll unter die Nase. „Humus steht für lebendige Erde“, erklärt der Bio-Landwirt. „In der regenerativen Landwirtschaft geht es darum, Böden wieder zu beleben und Humus aufzubauen.“

Humusreiche Böden seien im Laufe der Zeit in Urwäldern, auf Wiesen und Steppen entstanden, erklärt Hubert Stark. „Am besten hat das in Kombination mit Wiederkäuern funktioniert, was beweist, dass ein fruchtbarer Boden genutzt werden will.“

Wiesen mit Schlüsselrolle für Landwirtschaft

Wiesen, beziehungsweise Gräser haben dabei eine Schlüsselrolle. „Wenn man dem Boden die Pflanze nimmt, wird er unfruchtbar. Das liest man schon in alten Büchern, trotzdem werden noch immer viele Flächen im Herbst gepflügt und brach liegen gelassen“, erklärt der Bio-Landwirt. Besser für den Boden sei es, ihn über den Winter grün zu lassen.

Wir brauchen landwirtschaftliche Systeme, wo man Wiesen in der Produktion integriert.

Wichtig für den Humusaufbau sei auch das sogenannte Mikrobiom, das sind Millionen von Kleinstlebewesen im Boden, darunter Bakterien und Pilze.

Humus als CO2-Speicher

Forscher:innen der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) sind überzeugt, dass durch den Aufbau von Humus große Mengen an CO2 aus der Luft in der Vegetation und Kulturlandschaft gespeichert werden könnten. „Eine humusreiche Wiese kann 180 Tonnen CO2 pro Hektar speichern“, sagt Sophie Zechmeister-Boltenstern, Leiterin des Instituts für Bodenforschung an der BOKU. Klimaschutz durch Humusaufbau ist erstmals durch die 4-Promille-Initiative im Zuge der UN-Klimakonferenz in Paris in den Fokus gerückt. 

Wenn es uns gelingt, den Humusgehalt der Böden auf der ganzen Welt um vier Tausendstel pro Jahr zu erhöhen, dann könnte man theoretisch den jährlichen von Menschen verursachten CO2-Ausstoß dadurch einfangen, so die Bodenforscherin.

Seit den 1990er-Jahren steigt der Humusgehalt in den heimischen Böden wieder langsam, nachdem er seit den 1960er-Jahren gesunken war. Zechmeister-Boltenstern sieht eine „Win-Win-Situation“, wenn degradierte Böden wieder verstärkt mit Humus angereichert werden.

„Zum einen erhöht sich dadurch die Bodenfruchtbarkeit, zum anderen wird mehr Kohlenstoff gespeichert und die Böden werden widerstandsfähiger gegen Trockenheit, extreme Niederschläge und Erosion.“ Außerdem wird Wasser durch Humusaufbau länger im Boden gespeichert und ist somit auch in Trockenperioden verfügbar. 

In Österreich scheint das Bewusstsein für eine nachhaltige und klimafreundliche Bodenbewirtschaftung zu wachsen, wie die Bodenforscherin im Anschluss an das Bodenforum im Herbst 2021 feststellte. 

Kapitalistisches System

„Die Projekte an den Schulen werden von Firmen finanziert, denen es nur um ihr eigenes Verkaufsinteresse geht“, kritisiert Stark. Wie Boden funktioniert, wird in der herkömmlichen Landwirtschaft wenig thematisiert, das Wissen darüber in den Ausbildungsstätten kaum gelehrt.

Hubert Stark hat erlebt, dass viele Landwirt:innen sich angegriffen fühlen, wenn man ihre Vorgehensweise kritisiert – denn diese hat ja lange Zeit gut funktioniert. „In unserem kapitalistischen Denken müssen sie das so machen, um die Rechnungen zahlen und überleben zu können“, kritisiert Stark. „Boden zu regenerieren kostet Geld, das viele nicht haben.“

Landwirtschaftliche Förderungen würden lieber in Maschinen und Traktoren investiert, weil das greifbarer sei. Dazu kommt, dass ein Großteil der landwirtschaftlichen Flächen gepachtet ist. „Dadurch ist die Hürde, Geld reinzustecken, größer.“ Zu viele Betriebe müssten zusperren, weil sie keine Zukunft sehen. 

Erfahrungsaustausch

Die Humusbewegung macht vieles anders, als es empfohlen wird: Es heißt immer, Bauern müssten sich spezialisieren. Wir glauben jedoch an die Vielfalt, betont Stark. Auch in der Wirtschaft ist Vielfalt förderlich.

Hubert Stark betont, dass die Humusbewegung keinen Druck ausüben, sondern lieber Lösungen aufzeigen möchte. Bei regelmäßig stattfindenden Stammtischen werden Landwirt:innen zusammengebracht, um sich auszutauschen. „Wir sagen den Bauern nicht, was sie tun sollen, sondern bringen verschiedene Erfahrungen zusammen.“

Humus Wissen

Als Beispiel nennt der Humusbauer das Wissen um die Funktionen von „Unkraut“. „Die Frage sollte lauten: Warum ist das Unkraut da? Welche Funktion hat zum Beispiel die Kamille?“ Die Antwort gibt Stark gleich selbst:

Kamille bekommt ihren Keimreiz durch Verdichtungen an der Oberfläche, bei Kalkmangel verstärkt sich dieser Effekt, weil dadurch Luftmangel entsteht.

Wenn Landwirt:innen dem Boden Kalzium hinzufügen, wird die Kamille nicht wachsen, weil sie keine Aufgabe mehr hat. „Die Kulturpflanzen können sich dann besser entwickeln.“ 

Hubert Stark nennt die Humusbewegung eine ökosoziale Friedensbewegung. Er möchte die Bäuer:innen „aus dem Kampfmodus bringen“. Ausschlaggebend ist für ihn ein lösungsorientierter Ansatz: „Ich will positive Akzente setzen und nicht irgendwelche Horrorszenarien darstellen.“

Bei Vorträgen lässt Stark gerne Achtsamkeitsmomente einfließen, denn er ist überzeugt, dass man nur bei sich selbst beginnen kann. „Achtsame Menschen gehen automatisch anders mit dem Planeten um, mit Lebensmitteln oder Mitmenschen.“

Was ist Humus? 


Humus entsteht durch das Zusammenspiel von Pflanzen und Bodenorganismen wie Mikroorganismen, Insekten und Pilzen und ist sozusagen der organische Anteil eines Bodens. Die laufenden Stoffwechselaktivitäten der Bodenorganismen sind für den Auf-, Um- und Abbau des Humus verantwortlich. Daher kommt, dass Humus auch als „lebendige Erde“ bezeichnet wird. 
Der Humusgehalt von Ackerbodens wird daher von der Art der Bewirtschaftung beeinflusst.

1. EROSIONSSCHUTZ

Böden, die reich an Humus und dauerbegrünt sind, tragen maßgeblich zum Schutz vor Erosionen durch Wasser und Wind bei. Nur so kann sichergestellt werden, dass wertvoller Oberboden bei immer häufiger werdenden Starkregenereignissen nicht in unseren Kanälen landet, sondern vor Ort Wasser aufnehmen und Überschwemmungen verhindern kann.


3. FRUCHTBARKEIT

Humus enthält alle für Pflanzen lebensnotwendigen Nährstoffe und Mineralien. Diese werden pflanzenverfügbar in Zusammenarbeit mit den Mikroorganismen kontinuierlich zur Verfügung gestellt, wenn diese benötigt werden. 

4. BODENSTRUKTUR

Die Struktur von humusreichen Böden ist maßgeblich für die gute Belüftung und die krümelige Beschaffenheit der Bodensubstanz verantwortlich. Dadurch können Pflanzen verzweigte und tiefe Wurzelsysteme ausbilden, die ihnen wiederum ermöglichen, Nährstoffe und Wasser besonders gut im Boden zu erschließen.

5. PFLANZENGESUNDHEIT

Pflanzen sind gesünder und es kann auf Pestizide, Fungizide und Düngemittel verzichtet werden. Dies führt zu einer Einsparung an finanziellen Ressourcen und Arbeitszeit. Umweltbelastungen werden reduziert, wodurch sich die Qualität und der Nährstoffreichtum unserer Lebensmittel erhöht.

6. BEARBEITBARKEIT

Die krümelige Struktur sorgt für eine leichtere Bearbeitbarkeit des Bodens. Eine verminderte Bodenbearbeitung führt zu einer Verringerung der notwendigen Arbeitsleistung von Mensch und Maschine. Zusätzlich verringert sich der CO2 Ausstoß durch die Reduktion der benötigten Kraftstoffe landwirtschaftlicher Geräte. Bodenverdichtung durch die Befahrung mit schweren Geräten wird vermieden.

7. BODENGESUNDHEIT

Humus steht in enger Wechselwirkung mit der vorherrschenden Bodenfauna (Protozoen, Ringelwürmer, Gliederfüßler, Insekten, Schnecken, Wirbeltiere) und Bodenflora (Bakterien, Strahlenpilze, Pilze, Algen). Durch biologische Aktivität wird der Bodenkörper gelockert und mineralischer Boden mit Humus vermischt. Das verbessert das Porenvolumen und damit den Lufthaushalt, wodurch wiederum die Aktivität der Bodenorganismen gefördert wird. Unter optimalen Bedingungen bietet der Boden auf diese Weise ein optimales Habitat für ein diverses, artenreiches Bodenleben, welches durch seine Funktionen eine wichtige Rolle im gesamten Ökosystem übernimmt.

8. FILTERFUNKTION

Gesunde humusreiche Böden übernehmen umfangreiche Filter- und Pufferfunktionen gegenüber Schadstoffen in Wasser und Luft und sind somit eine Voraussetzung für ausreichend und qualitativ hochwertiges Grund- und Trinkwasser.

9. VORBILDROLLE DER LANDWIRTSCHAFT

Durch den Umstieg auf eine regenerative und humusaufbauende Landwirtschaft werden Kreisläufe wieder geschlossen, Systeme regeneriert und Bewusstsein für eine zukunftsfähige Landwirtschaft geschaffen. Die Landwirtschaft nimmt aktiv eine Rolle des Umwelt- und Klimaschutzes an und wird somit ein wesentlicher Teil der Lösung unserer Herausforderungen.


10. CO2 SPEICHERUNG

Wie die Meere gehören unsere landwirtschaftlichen Nutzflächen zu den größten CO2-Speichern der Welt. Die Speicherung von CO2 durch die Photosynthese in der Pflanzenmasse und im Boden ist einer der wichtigsten Mechanismen, unserer Atmosphäre überschüssiges CO2 zu entziehen und zugleich Böden zu regenerieren.

Quelle: HUMUS+ Modell Ökoregion Kaindorf, 2023


Der Biohof Stark

Der 60 ha Biohof der Familie Stark liegt in der der Nähe von Litschau im Waldviertel. Der Bauernhof mit Rinder- und Schweinehaltung wird seit 1991 als Biobetrieb geführt, 2019 wurde auf  „Demeter“ umgestellt. Wer sich selber ein Bild der Idylle machen möchte, kann das Angebot von Urlaub auf dem Bauernhaus in Anspruch nehmen. Mit der Bewirtschaftung nach der „Regenerativen Landwirtschaft“ nach Wenz und Näser wird am Biohof Stark seit 2012 versucht, die „ERDE zu beleben“.

Die Humus Bewegung

Als Mitbegründer der „Humus Bewegung“ gilt Hubert Stark als Pionier im Einsatz für mehr „lebendige Erde“. Die HUMUS Bewegung ist ein offenes Netzwerk von Bäuerinnen, Bauern und Beratern mit dem Ziel der Förderung einer “regenerativen Landwirtschaft”, also einer humusaufbauenden und bodenbelebenden Form der Landbewirtschaftung.

Die HUMUS Bewegung trägt diese Idee weiter, sichert bäuerliches Wissen, organisiert Veranstaltungen wie Humus-Stammtische, Bodenseminare und Feldtage, vernetzt Praktiker mit Bodeninitiativen und Forschungseinrichtungen.
Kernstück der Wissensvermittlung ist der “Bodenkurs im Grünen Österreich”. Das Thema Humusaufbau steht auch bei der Weiterentwicklung von Systemen, z.B. Begleitsaaten in Kartoffeln, Ackerbohnen und Raps, sowie in der Beratung im Vordergrund.

Humus+

Auch die Initiative Humus+ Modell Ökoregion Kaindorf setzt bei der Erzeugung von Humusaufbau auf Wissenstransfer.
Die Ökoregion Kaindorf hat 2007 das Humus-Aufbauprogramm ins Leben gerufen, an dem sich aktuell fast 400 LandwirtInnen in ganz Österreich beteiligen. Humus+ unterstützt die teilnehmenden LandwirtInnen auf dem Weg zum Humusaufbau durch die Erzeugung und Verteilung von fachspezifischem Wissen, Bildungsangebote und Veranstaltungen wie die Hummus+ Tage richten sich an alle Interessierten.


Das Humus+ Aufbauprogramm besteht aus einer Vereinbarung zwischen Humus+ und dem/der einzelnen LandwirtIn, in einem Zeitraum von fünf bis sieben Jahren Humus auf einer landwirtschaftlichen Fläche seiner/ihrer Wahl aufzubauen.
Das Projekt arbeitet mit Prämien und bietet Zertifikate zum Kauf an. Den beteiligten Landwirt:innen wird nach 5-7 Jahren, bei Erstmessung des Humusgehalts eine Prämie von 30€/Tonne ausgezahlt. Der Anspruch ist an eine Haltefrist gebunden, der Humusgehalt nach 5 Jahren erneut gemessen.

Die Zitate von Sophie Zechmeister-Boltenstern stammen aus: Die Natur inhalieren lassen von Mario Wasserfaller, apa 2021.
Im Text wird auch das Bodenforum Herbst 2021 und die 2020 in Nature Communications erschienenen Studie „Towards a global-scale soil climate mitigation strategy“ erwähnt.

Zur „ 4 Promille“ Initiative der französischen Regierung liefert der Beitrag Die 4-Promille-Initiative „Böden für Ernährungssicherung und Klima“ – Wissenschaftliche Bewertung und Diskussion möglicher Beiträge in Deutschland von Forschenden des Thünen-Instituts, Braunschweig, weitere Perspektiven.

Empfehlung zum Weiterlesen: In Das Geschäft mit dem Hummus, erscheinen in DATUM Ausgabe Mai 2022, geht Laura Anninger der Frage nach, ob die im Artikel besprochene Kohlenstoffspeicherung von Landwirten in ihre Ackerböden eine echte Chance oder Greenwashing ist?

Alle Links abgerufen am 25.04.203, 0Uhr. Für externe Inhalte wird keine Haftung übernommen.



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