Gut gepflegt

Viele Menschen, die zuhause Angehörige pflegen, sind mit ihrer Aufgabe überfordert. Die Alles Clara-App bietet Unterstützung und hilfreiche Informationen.

Pflegekrise Antworten
Grafik: Tim Wikkerink

„Hallo, ich bin diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und deine Alles Clara-Beraterin.“

20 Minuten sind seit dem Herunterladen der Alles Clara-App vergangen und schon steht eine Expertin zur Verfügung. Freilich war es in diesem Fall nur ein Test, der zeigen soll, wie die Pilotphasen-Version der App funktioniert. Alles Clara richtet sich an pflegende Angehörige, die auf sich alleine gestellt sind und Hilfe suchen – die sie hier in Form von Beratung durch ausgebildetes Pflegepersonal oder Psycholog:innen erhalten.

Rund eine Million Menschen in Österreich pflegen Angehörige oder betreuen alte Eltern oder beeinträchtigte Kinder. Dabei übernehmen sie bis zu 80 Prozent der notwendigen Fürsorge und Pflege. In erster Linie handelt es sich dabei um Frauen, und viele Betroffene sind mit den Aufgaben überfordert. „Es ist nach wie vor ein Tabuthema und mit viel Scham verknüpft“, weiß Nicole Traxler, Social Innovation Manager bei der Erste Foundation. Sie hatte im Zuge eines Forschungsprojekts der Erste Stiftung die Idee zu Alles Clara.

Es ging darum, wie die Digitalisierung zur Lösung sozialer Probleme beitragen kann.

Nicole Traxler, Social Innovation Manager (Erste Foundation)

Pflegeberuf aufwerten

In Zusammenarbeit mit den bedeutendsten Hilfsorganisationen und einigen großen Unternehmen wie der Erste Bank, ÖBB oder IBM entstand die Alles Clara-App, welche Unterstützung für pflegende Angehörige bietet.

„Alle Berater:innen in Alles Clara werden ausgebildet – vom Alles Clara-Team und von der Technischen Hochschule Nürnberg“, erklärt Nicole Traxler. „Das ist notwendig, da nicht jede gute Pflegekraft gleichzeitig auch gut berät, und weil viele Personen, besonders aus der Pflege, sich in Alles Clara auch auf der persönlichen Ebene weiterentwickeln“. So kann es sein, dass eine Pflegekraft noch nie am Laptop gearbeitet hat oder es nicht gewohnt ist, selbständig Entscheidungen zu treffen. Die Ausbildung inklusive Probe Beratungen und Mentoring dauert zwei bis drei Monate.

Die Berater:innen werden von den führenden Pflege- und Betreuungsorganisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz sowie Volkshilfe gestellt. Die Organisationen bieten dabei ihre Pflege- und Sozialexpertise an. 

Alles Clara Nicole Traxler
Nicole Traxler, Social Innovation Manager bei der Erste Foundation hatte im Zuge eines Forschungsprojekts die Idee zu Alles Clara. © Peter M. Mayr/ERSTE Stiftung.

Nicole Traxler ist überzeugt davon, dass Alles Clara den Pflegeberuf aufwertet. Vor Corona wechselten Pflegekräfte im Schnitt nach sechs Jahren den Beruf. Die Herausforderungen während der Pandemie haben diesen Trend noch verstärkt. „Dem wollen wir mit Alles Clara entgegen wirken“. Die Online-Beratung biete ein flexibles und körperlich entlastendes Element im Arbeitsalltag von Pflegekräften.

„Der fehlende persönliche Kontakt wird durch gegenseitige Wertschätzung wettgemacht, das haben erste Feedbacks ergeben“,

so Traxler. „Und auch viele ältere Menschen benutzen schon ein Smartphone.“

Vielfältige Fragen

Manfred Dvorak ist als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger seit Mai 2022 Teil des Alles Clara-Teams und hat bereits rund 50 Beratungen durchgeführt. „Der große Vorteil von Alles Clara ist der asynchrone Chat“, erklärt Dvorak. „Das bedeutet, dass Hilfesuchende jederzeit ihre Fragen stellen können und nicht an fixe Zeiten wie etwa in Ambulanzen gebunden sind.“ Die ihn erreichenden Anliegen sind vielfältig: „Das reicht von Fragen zur Pflege eines demenzkranken Vaters bis zur Betreuung eines Kindes mit Pflegestufe 6.“

Das bedeutet, dass Hilfesuchende jederzeit ihre Fragen stellen können und nicht an fixe Zeiten wie etwa in Ambulanzen gebunden sind.

Manfred Dvorak, diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger bei Alles Clara

Die Berater:innen helfen bei akuten Problemen, geben aber auch allgemeine Informationen weiter.

Dvorak war selbst jahrelang in der Rolle des pflegenden Angehörigen für seine an Krebs erkrankte Frau und kennt die Herausforderungen für Betroffene. „Da gibt es viel Überforderung, finanzielle Nöte und auch Vereinsamung, wenn man auf sich alleine gestellt ist“, weiß Dvorak, der auf ein Netzwerk aus Freund:innen und medizinischem Personal zählen konnte.

Da gibt es viel Überforderung, finanzielle Nöte und auch Vereinsamung, wenn man auf sich alleine gestellt ist.

Manfred Dvorak, diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger bei Alles Clara

Martina Genser-Medlitsch steht den bei Alles Clara Ratsuchenden als klinische Psychologin zur Verfügung. „Eine Angehörige bat mich um Rat, da sie mit der Persönlichkeitsveränderung ihres demenzkranken Vaters überfordert war“, erzählt Genser-Medlitsch. Die Psychologin steht nicht nur mit ihrer beruflichen Expertise zur Verfügung, sondern gibt auch praktische Tipps, wohin Ratsuchende sich wenden können. „Da ich beim Hilfswerk angestellt bin, kann ich mit Kolleg:innen oder Dienstleistern in der Umgebung vernetzen.“ Die schriftliche Beratung über den Alles Clara-Chat funktioniere erstaunlich gut. „Auch auf diese Weise kann eine Begegnung entstehen.“ Für die Zukunft sind auch Telefonate und Videocalls geplant. Datenschutz ist bei allen Beratungen gewährleistet. Die Berater:innen unterliegen zudem der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht ihrer Berufsgesetze.

Auch auf diese Weise kann eine Begegnung entstehen.

Martina Genser-Medlitsch, klinische Psychologin bei Alles Clara

Seit Sommer 2022 befindet sich Alles Clara in der Pilotphase und kann von Mitarbeitern der Unternehmen, die sich als Partner an der Entwicklung der App beteiligen, genutzt werden. 

Bis Ende 2023 soll die App für alle pflegenden Angehörigen österreichweit kostenlos zur Verfügung stehen.


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