In der Regel teuer: Der Weg zu kostenlosen Tampons und Binden
In Schottland gibt es seit 2020 kostenlosen Zugang zu Periodenprodukten an Schulen, Unis und in öffentlichen Gebäuden. Österreich könnte ebenso ein solches Gesetz erlassen. Die Kosten berechnet die Kinder- und Jugendanwältin mit rund 1,3 Millionen Euro pro Jahr. Viele Einzelinitiativen setzen die freie Entnahme bereits um.
Die Periode ist immer noch schambesetzt. Vielen Mädchen und jungen Frauen ist es peinlich, über die Menstruation zu sprechen oder Binden und Tampons zu kaufen. Diese „Periodenarmut“ wollte die 17-jährige Leya Hampel nicht mehr hinnehmen. Sie hat sich als stellvertretende Schulsprecherin dafür eingesetzt, dass es am Ella Lingens Gymnasium in Wien Floridsdorf Periodenprodukte kostenlos auf den Damentoiletten gibt. „Es war mir ein großes Anliegen, weil ich an anderen Schulen gesehen habe, dass es positive Auswirkungen hat das Thema zu enttabuisieren“, sagt die Maturantin. „Manche jüngere Mädchen schämen sich dafür und das soll nicht sein.“
Es hat positive Auswirkungen, das Thema zu enttabuisieren.
Leya Hampel
Rund 17.000 Tampons oder Binden braucht eine Frau im Laufe ihres Lebens. Im Schnitt geben Menstruierende 72 Euro pro Jahr für Periodenartikel aus – hochgerechnet macht das etwa 3.400 Euro für Hygieneartikel bis zur Menopause. Angesichts der Teuerung und der steigenden Armutsgefährdung ist das für viele Frauen eine starke finanzielle Belastung. 14 Prozent der österreichischen Bevölkerung gelten als arm oder armutsgefährdet. Der Anteil der Frauen überwiegt. Wird der Kauf von Monatshygiene zur finanziellen Belastung, spricht man von Periodenarmut.
Vorreiter im Kampf gegen Periodenarmut ist Schottland, das als erstes Land der Welt den Weg für einen freien Zugang zu Menstruationsprodukten geebnet hat. Seit August müssen alle Bildungseinrichtungen und öffentlichen Gebäude Tampons und Binden kostenlos zur Verfügung stellen. Grundlage dafür ist ein Gesetz, das im November 2020 einstimmig im Parlament beschlossen wurde. Denn der kostenlose Zugang sei „grundlegend für Gleichheit und Würde“, erklärte die schottische Ministerin für soziale Gerechtigkeit, Shona Robison, diese politische Entscheidung.
Der kostenlose Zugang ist grundlegend für Gleichheit und Würde.
Shona Robison, schottische Ministerin für soziale Gerechtigkeit
Mehrwertsteuer für Tampons & Co. im Kampf gegen Periodenarmut gesenkt
In England, Neuseeland und einigen US-Bundesstaaten wie New York ist es ebenfalls selbstverständlich, dass Menstruationsartikel in Schultoiletten zur Verfügung stehen. In Österreich gibt es noch kein vergleichbares Gesetz. Jedoch wurde im Vorjahr die Mehrwertsteuer auf Periodenprodukte von 20 auf 10 Prozent gesenkt. Doch einige Unternehmen, die Hygieneartikel herstellen, haben die Steuersenkung kurzerhand genutzt und den Preis angehoben. So kam die Steuersenkung nicht bei den Konsumentinnen an – die Periodenarmut besteht weiterhin.
Ein Rundschreiben des Bildungsministeriums würde vorab einmal ausreichen.
Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt
In Österreich könnte das Parlament ebenso ein mit Schottland vergleichbares Gesetz gegen Periodenarmut erlassen. Die Salzburger Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt sieht das Schulorganisationsgesetz am besten dafür geeignet. Darin seien auch die allgemeine Zugänglichkeit und Schulgeldfreiheit geregelt. Doch es müsste wohl nicht sofort eine gesetzliche Regelung her. „Ein Rundschreiben des Bildungsministeriums würde vorab einmal ausreichen“, sagt Holz-Dahrenstaedt. Auch in Schottland seien dem Gesetz über einen längeren Zeitraum Empfehlungen und freiwillige Maßnahmen vorangegangen. Die Kosten, um die freie Entnahme von Hygieneartikel an allen österreichischen Schulen und Bildungseinrichtungen umzusetzen, schätzt die Jugendanwältin hochgerechnet auf rund 1,3 Millionen Euro pro Jahr.
Sponsoren helfen bei Periodenarmut aus
Auch wenn es noch keine Empfehlung des Bildungsministeriums gibt, sind bereits vereinzelt Initiativen an Schulen oder Universitäten aktiv geworden. In Salzburg gibt es etwa am BRG Akademiestraße kostenlose Binden und Tampons auf den Schultoiletten. Die Initiative dazu setzte im Sommersemester die Schulsprecherin Annika Schubert und organisierte einen Sponsor.
Es braucht Leute, die sich darum kümmern und denen das wichtig ist.
Leya Hampel
Auch die stellvertretende Schulsprecherin Leya Hampel aus dem 21. Bezirk in Wien hat einen Sponsor aufgetrieben. „Wir haben das zuerst im Schulgemeinschaftsausschuss abgestimmt mit den Elternvertretern und der Direktion“, erklärt Hampel ihre Vorgehensweise. Der Elternverein habe dann 50 Euro an Budget ausgegeben für die erste Testphase. Diese lief gut. Die weiteren Produkte kamen von der Sozialistischen Jugend Wien, die Körbe als Sponsor zur Verfügung gestellt hat. Eine Ausweitung auf alle Schulen hält die Schülerin für sinnvoll. „Es braucht Leute, die sich darum kümmern und denen das wichtig ist“, betont Hampel.
Eine Umfrage der Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg zeigt, dass 20 Prozent der befragten Mädchen sich schon einmal Menstruationsartikel nicht leisten konnten. 58 Prozent war es peinlich, Tampons und Binden zu kaufen und mehr als die Hälfte hat einmal oder öfter Ausreden erfunden, wenn sie wegen ihrer Periode nicht in die Schule ging oder diese früher verließ. Der Schluss ist naheliegend, dass sich das mit der Menstruation verbundene Stigma und die Tatsache, dass einige junge Frauen unter Periodenarmut leiden, negativ auf deren schulischen Erfolg auswirken.
Online-Petition für kostenlose Tampons mit 6.000 Unterschriften
An der Sportmittelschule Donaustadt wollen die Schülerinnen ebenfalls, dass es an allen Schulen kostenlose Hygieneartikel gibt, und haben eine Online-Petition gestartet. Mehr als 6.000 Unterschriften haben sie bereits gesammelt.
Vorzeigebeispiele unter den Bildungseinrichtungen sind die Unis Graz und Salzburg, die seit 2021 auf Initiative der ÖH in den Toiletten gemeinsam mit der Initiative „erdbeerwoche“ gratis Tampons und Binden anbieten. „Das war ein längerer Prozess. Mit einer Anschubfinanzierung der ÖH und dann hat die Uni mitfinanziert. Das war nicht so easy“, sagt die Bundesvorsitzende der ÖH Keya Baier (GRAS). Auch an der Uni Wien läuft derzeit eine Pilotphase, in der an mehreren Standorten Periodenprodukte zur freien Entnahme aufliegen. „Jetzt ist die Frage, wie wir es auf Standorte ausweiten, wo wir selbst nicht in der Hochschulvertretung sind“, sagt die GRAS Bundesvorsitzende. Um das an allen Unis in Österreich umzusetzen, hält Baier es für vorstellbar, das in die Leistungsvereinbarung zu schreiben als eine „Maßnahme zur Gleichstellung und Niederschwelligkeit“ der Universitäten.
Auch die gesundheitlichen Folgen, die Periodenarmut auslösen kann, sind nicht zu unterschätzen. Immer wieder kommt es vor, dass Menstruierende, die sich Tampons nur schwer leisten können, diese nicht regelmäßig wechseln, um zu sparen. Das kann gefährlich werden und in manchen Fällen zu einem toxischen Schocksyndrom führen. Andere Frauen versuchen das Blut auf andere Weise aufzufangen – etwa mit Socken, Stoffresten, Toiletten- oder Zeitungspapier. Was zu einem Nährboden für Keime werden kann, die Entzündungen verursachen können.
Treffsichere Ausgabe von Tampons & Co. mit der Roten Box
Wie notwendig Maßnahmen gegen Periodenarmut sind, zeigt auch wie gut Pilotprojekte in Österreich angenommen werden. In der Brigittenau im 20. Wiener Gemeindebezirk gab es 2021 an vier Standorten die Rote Box. Im Jugendzentrum BASE 20, im Sozialmarkt sowie im Bezirksamt und der Integrationsstelle konnten sich Mädchen und Frauen ganz einfach kostenlos Binden und Tampons abholen. Rund 20 Prozent der weiblichen Bevölkerung in der Brigittenau sind laut Stadt Wien armutsgefährdet. Die Nachfrage war größer als gedacht. 80.000 Tampons und 95.000 Binden wurden innerhalb der vier Monate, in denen das Pilotprojekt lief, ausgegeben. Der grüne Rathausklub fordert, das Projekt auf ganz Wien auszurollen. Von der MA 24, dem Büro für Frauengesundheit und Gesundheitsziele, heißt es, aktuell werde daran gearbeitet, das extrem erfolgreiche Projekt weiterzuführen. „Das Besondere an dem Projekt war, dass nicht nur ein Tampon oder eine Binde für den momentanen Bedarf ausgegeben wurde, sondern dass an sozial treffsicheren Orten Frauen, die es sich nicht leisten können, ein ganzes Packerl an Produkten für das ganze Monat mitnehmen konnten.“, sagt Kristina Hametner von der MA24.
An sozial treffsicheren Orten konnten Frauen, die es sich nicht leisten können, ein ganzes Packerl an Produkten für das ganze Monat mitnehmen.
Kristina Hametner, MA24
Nachhaltige Produkte und Lobbyarbeit
Massiven Handlungs- und Aufklärungsbedarf beim Thema Periodenprodukte ortet Bettina Steinbrugger, Geschäftsführerin der „erdbeerwoche“. Vor zwölf Jahren gründete sie gemeinsam mit Annemarie Harant Österreichs erstes Social Business für das Thema Menstruation und nachhaltige Monatshygiene. „Klassische Produkte sind gesundheitlich und ökologisch bedenklich. Die meisten Frauen haben nie darüber nachgedacht, was sie an die empfindlichste Stelle ihres Körpers lassen“, betont Steinbrugger. Deshalb biete die “erdbeerwoche” eine Aufklärungsplattform und einen Online-Shop für nachhaltige Menstruationsprodukte an.
Die meisten Frauen haben nie darüber nachgedacht, was sie an die empfindlichste Stelle ihres Körpers lassen.
Bettina Steinbrugger, Geschäftsführerin der „erdbeerwoche“
Daneben lobbyierte das Social Business seit 2016 für die Senkung der Tamponsteuer, tritt gegen Periodenarmut ein und versucht das Thema eines menstruationsfreundlichen Arbeits- und Ausbildungsplatzes mit kostenlosen Periodenprodukten voranzutreiben. Schließlich hätten 98 Prozent der Frauen eine Form von Beschwerden während der Menstruation und 30 Prozent so starke Schmerzen, dass sie im Alltag eingeschränkt sind.
Periodenarmut: Aufklärungsprogramm für Schulen
Die „erdbeerwoche“ erhalte auch sehr viele Anfragen von Schulen für Periodenserviceboxen oder Tamponspender. Diese werden immer verbunden mit Aufklärungsmaterial geliefert. Weil auch Workshops sehr gefragt waren, hat das Social Business mit „Ready for Red“ eine digitale Lernplattform kombiniert mit physischem Anschauungs- und Lehrmaterial entwickelt, welche Lehrkräfte eigenständig im Unterricht einsetzen können. 1500 Schulen in Österreich mit 130.000 Jugendlichen konnten mit dem Angebot bereits über die Menstruation aufgeklärt werden. Denn laut einer Umfrage der „erdbeerwoche“ stehen 60 Prozent der Mädchen ihrer Menstruation negativ gegenüber und 70 Prozent der Burschen finden das Thema unwichtig und peinlich. Diese Tabuisierung begünstigt Unwissenheit und Fehlwissen. Deshalb richtet sich die Plattform gezielt an Mädchen und Burschen zwischen 10 und 17 Jahren, da ein Tabubruch nur gelingen könne, wenn beide Geschlechter gleichermaßen aufgeklärt sind, heißt es auf der Website von „Ready for Red“.
Im nächsten Schritt wäre es wünschenswert, alle Schulen mit kostenlosen Periodenprodukten auszustatten, sagt Bettina Steinbrugger.
Wie mit Toilettenpapier. Das ist gleichwertig zu bewerten.
Bettina Steinbrugger
Die Senkung der Tamponsteuer habe mit einem Brief ans Finanzministerium 2016 begonnen und wurde zum Jahreswechsel auf 2021 eingeführt. „Hoffentlich dauert es bei den kostenlosen Menstruationsprodukten für Schulen nicht so lange“, sagt die Gründerin der „erdbeerwoche“.
Informationen
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2 Antworten zu „In der Regel teuer: Der Weg zu kostenlosen Tampons und Binden“
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Ich persönlich finde es super das es Menschen gibt die sich dafür einsetzen.
Denn ich finde wir können nichts dafür das wir unsere Mensturation bekommen. Für die weiblichen Personen unter uns ist es seit Jahren normal, keiner sollte sich schämen darüber zu reden. Da jede Frau ihre Periode bekommt.
Ich finde es auch sehr sinnvoll gratis Hygene Artikel dafür anzubieten, da wie schon hier erwähnt, manche es sich nicht leisten können. Außerdem bekommen wir Frauen im Durchschnitt leider noch immer weniger bezahlt als Männer und dann sollten wir noch für Hygene Artikel bezahlen, obwohl die meisten Frauen schon ihr Geld in andere überlebenswichtiges gesteckt haben.
Ich denke das es einigen wirklich weiterhelfen könnte diese gratis zur Verfügung zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen:)-
Danke für das Feedback liebe Viviane!
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