Jugendliche gestalten Zukunft: Nachfrage hui, Angebot pfui 

Ein kritischer Moment für den Glauben an die Demokratie: Das Interesse der österreichischen Jugend an Politik und Mitbestimmung ist so stark wie selten zuvor. Ob in der Schule, am Arbeitsplatz oder auf Bundesebene, Jugendliche können sich vielfältige Beteiligung vorstellen. Demgegenüber stehen Enttäuschungen über die Politik und Frust darüber, dass Themen der Jugend auf taube Ohren stoßen. Wie lässt sich dieses Potenzial nutzen? 

Jugend Politik
YEP (c) Matthias Dorninger

Die zahlreichen Krisen der letzten Jahre haben das Verhältnis von Jugendlichen zur Politik verändert, in den allermeisten Fällen nicht zum Besseren. Von der Politik fühlen sie sich im Stich gelassen. Ihr Vertrauen ist an einem historischen Tiefpunkt angelangt, nur sechs Prozent fühlen sich von ihren politischen Repräsentant:innen gut vertreten. Das zeigt eine Sora-Studie aus dem Jahr 2022. Während die Pandemie und ihre Folgen für die gesamte Bevölkerung katastrophale Folgen hatte, traf es die psychische Stabilität der Jugend besonders hart. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen hatte Anzeichen einer Depression, damit lag Österreich im Spitzenfeld. Die Klimaproteste bleiben ignoriert, trotz mittlerweile jahrelanger Demonstrationen, zahlreiche Korruptionsskandale tun ihr Übriges. 

Aus dem Regen in die Traufe

Für Rebekka Dober, Gründerin und CEO von YEP (Youth Empowerment Participation) ist diese Abwendung vom politischen Geschehen eine logische Folge. Sie arbeitet mit YEP an Beteiligungsprozessen für Jugendliche:

Ein großes Problem ist, dass junge Menschen kein Teil der Politik sind. Es ist nicht so, als wären sie nicht daran interessiert, es gibt schlicht keine Möglichkeiten sich zu beteiligen. 

Rebekka Dober in einem Workshop für mehr Jugend in der Politik
„Es braucht einen Moment, wo ich bemerke, dass ich auf gesellschaftlicher Ebene etwas bewirken kann. Wenn ich etwas verändere, dann verändert sich etwas.“ Rebekka Dober © YEP

2007 war Österreich ein Pionier, als es das Wahlalter auf 16 Jahre herabgesetzt wurde. Die Idee dahinter war folgende: Je früher Menschen in den demokratischen Prozess eingebunden werden, desto länger bleibt man auch als Erwachsene:r Teil davon. Anderthalb Jahrzehnte später ist Ernüchterung eingekehrt. Zwar gab es anfangs viel Interesse, in den vergangenen zehn Jahren lag die Wahlbeteiligung der 16- bis 18-Jährigen bei allen Nationalrats- und Präsidentschaftswahlen unter dem Schnitt der Gesamtbevölkerung, teilweise deutlich. Dass einer Generation, der konstant leere Versprechungen gemacht werden, jedoch irgendwann die Motivation zum Wahlgang verloren geht, ist nicht überraschend. Die AHS-Landesschulsprecherin Wiens Maria Marichici sieht vor der Beteiligung das Zuhören:

Wenn es um Themen geht, die die Jugend betreffen, muss auch tatsächlich mit uns darüber gesprochen und nicht einfach über unsere Köpfe hinweg entschieden werden.

Diesen Frust sieht Dober langfristig als Gift für die Demokratie: „Man sieht es an den Wertigkeiten. Wenn es um Wirtschaft geht, dann ist das Geld da. Wenn es aber beispielsweise um Bildung geht, fehlt es.”
Das vermittle den Jugendlichen den Eindruck, in keinster Weise eine Priorität zu sein, sagt sie: „So erziehen wir sie zur Hilflosigkeit und Demokratiemüdigkeit“. 

Demgegenüber steht ein großes Interesse am politischen Prozess. Davon zeugen nicht nur die Proteste und Demonstrationen von Fridays for Future, das Klimavolksbegehren oder die „Letzte Generation“.
Auch Gleichberechtigung, Anti-Rassismus und Demokratiepolitik waren Themen, die in der jüngsten seit Jahren stark von der Jugend getragen wurden. Der Jugend-Demokratie-Monitor, eine Studie von November 2022 des Gallup-Instituts, bestätigt das. Fast 90 Prozent geben an, sich für Politik zu interessieren. Fast die Hälfte will mehr mitbestimmen, auf allen verfügbaren Ebenen: Bund, Land, Gemeinde, Arbeitsplatz und in der Schule. Genauso viele können sich vorstellen, bei einer Bürgerinitiative mitzumachen oder eine eigene zu starten. Das sind nicht nur Lippenbekenntnisse, knapp zwei Drittel gingen nach eigenen Angaben wählen, die Hälfte hat eine Petition unterzeichnet oder politische Inhalte gepostet.

Jugend hat grosses Interesse an Politik
Das Interesse der österreichischen Jugend an Politik und Mitbestimmung ist so stark wie selten zuvor. © Quelle Gallup Institut 2022, Grafik Lisa Eiersebner

Beteiligung zur Veränderung

Wie kann man das Potenzial, das offensichtlich vorhanden ist, also nutzen? Ein Hebel ist die gesetzliche Vertretung: Die Bundesjugendvertretung (BJV) ist die gesetzlich verankerte Vertretung der Jugend in Österreich. Sie umfasst 59 Mitgliedsorganisationen und über diese 1 Million Mitglieder quer durch die Gesellschaft, unter anderem das Jugendrotkreuz, die Junge Volkspartei, die Muslimische Jugend oder die Alpenvereinsjugend. Ihr Vorsitzender Julian Christian sagt, dass Beteiligung vor allem inklusiv und greifbar sein muss:

Wir sind der Meinung, dass mehr niederschwellige Instrumente dabei helfen würden, auch Jugendliche zu erreichen, die vielleicht etwas weniger diskussionsfreudig oder es einfach nicht gewöhnt sind, nach ihrer Meinung gefragt zu werden. 

Julian Christian wünscht sich mehr Jugend in der Politik
Julian Christian von der Bundesjugendvertretung meint, dass Beteiligung, wenn sie möglich ist, gut angenommen wird. © BJV

Der Dialog muss für ihn nicht nur auf Augenhöhe stattfinden, es braucht auch einfach mehr: „Im Grunde kann es nie genug Jugendbeteiligung geben, weil wir direkt oder indirekt von allen Themen betroffen sind“. Dafür hat die BJV ein eigenes Handbuch mit zehn Kriterien für qualitätsvolle Jugendbeteiligung erarbeitet. Allen zehn ist gemein, dass es um einen ernst gemeinten Dialog geht. Genug Vorbereitungszeit, gute Rahmenbedingungen, Wertschätzung, Verbindlichkeit. „Zentrales Merkmal ist, dass der Dialog in kleinen Gruppen stattfindet und von einer professionellen Moderation begleitet wird, die darauf achtet, dass sich möglichst alle gut einbringen können“. Anschließend brauche es eine Dokumentation und Follow-Up, was mit den Ergebnissen geschieht, denn gerade für Scheinpartizipation hätten Jugendliche ein sehr gutes Radar entwickelt: “Unsere Erfahrung zeigt, dass Jugendliche – wenn sich ihnen entsprechende Möglichkeiten bieten – eine große Motivation haben, die Welt mitzugestalten“. 

Rebekka Dober nennt als Lösung die sogenannten Selbstwirksamkeitsmomente: „Es braucht einen Moment, wo ich bemerke, dass ich auf gesellschaftlicher Ebene etwas bewirken kann. Wenn ich etwas verändere, dann verändert sich etwas.“ Einmal erlebt, nehme man das ein ganzes Leben lang mit, sagt sie. Ebenso wie Christian betont sie die Notwendigkeit, wirklich alle ins Boot zu holen, um eine gute Lösung zu finden. „Oft bestimmen die mit, die ohnehin schon Privilegien haben. Schafft man, dass alle mitbestimmen können, auch die, die Chancen benachteiligt sind, schafft man damit ganz neue Perspektiven. Das ergibt echte Chancengerechtigkeit“.

Gemeinsam mit dem Bildungsministerium hat sie gerade den Beteiligungsprozess „Demokratie macht Schule“ angestoßen, in dem junge Schüler:innen an ihren eigenen Lehrplänen mitschreiben. Die Fallen der Scheinbeteiligung sind ihr bewusst, dafür hat sie einen Wirkungsvertrag aufgesetzt. Dieser verhindert, dass die Ergebnisse in der Schublade verschwinden, denn das Bildungsministerium verpflichtet sich, erst dann mit der Planung zu starten, wenn die Ergebnisse vorliegen. 

Landesschulsprecherin Marichi wünscht sich Beteiligung von Jugend in der Politik
Landesschulsprecherin Marichici wünscht sich Gremien zur Partizipation von Jugendlichen © Laura Schuh

Landesschulvertreterin Marichici sieht für die Lösung Jugendliche als selbstverständlichen Teil der politischen Vertretung, in Form von Jugendgremien:

Das könnten beispielsweise Jugendräte auf Bezirks-, Länder- oder Bundesebene sein, in denen Jugendliche die Möglichkeit bekommen, mitzudiskutieren und Forderungen zu formulieren. Die Möglichkeit für Jugendliche mitzugestalten sollte nicht die Ausnahme bleiben, sondern zur Regel werden.


Auch für sie ist eine breite Masse ein essenzieller Teil der Lösung. Während jede Beteiligung gut ist, muss es in größerem Rahmen und mit mehr jungen Menschen geschehen. Wo und wie sie leben, wäre ein Anfang: „Politische Partizipation können eine Onlineumfrage oder Projektwettbewerbe zu Themen wie der Parkgestaltung im eigenen Bezirk sein, um eine möglichst breite Masse von Jugendlichen zu erreichen und mitbestimmen zu lassen“. Dober schließt mit einem Gefühl, das Jugendlichen oft hilft, in Aktion zu kommen. Bevor der Frust und die Realität des politischen Alltags ankommen, müsse man den jugendlichen Eifer nutzen: “Das ist zwar Quatsch was die Erwachsenen machen, aber ich kann was verändern”.


Du willst Veränderung und weißt auch, was auf politischer Ebene dafür zu tun wäre? So gewinnst du Entscheidungsträger:innen für deine Ideen. 


Die wichtigen Gesellschaftsthemen sind relevant.


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