Diversität in der Filmindustrie: Fortschritte in Sicht?
8 Jahre nach #oscarsowhite sollte sich in der Filmindustrie etwas geändert haben. Doch wie sehen die Fakten zur Diversität aus und wo gibt es am meisten Handlungsbedarf?
Dieser Beitrag ist in Kooperation mit dem Bachelorstudiengang Medienmanagement an der FH St. Pölten im Wahlpflichtmodul „Mediensoziologie, Gender und Diversity“ entstanden.
Wenn Sie von einem bekannten Filmregisseur hören, vom wem ist dann meistens die Rede? Einer Frau oder einem Mann? Werden Regisseure genannt, fallen Namen wie Steven Spielberg, Christopher Nolan, Wes Anderson, Tim Burton, Woody Allen- kurz gesagt, meist von (weißen) Männern.
#OscarsSoWhite, unter diesem Hashtag machte die Aktivistin und Schriftstellerin April Reign 2015 darauf aufmerksam, dass unter den 20 bei den Oscars nominierten Autor:innen nicht eine einzige BiPoC Person vertreten war. Ein Jahr später, 2016, wiederholt sich der gleiche Fall.
In den acht Jahren, seit #OscarsSoWhite zum ersten Mal die Aufmerksamkeit auf die Ungleichheit der Filmbranche lenkte ist, laut BBC, „zwar die Zahl der nominierten BiPoC Personen bei den Oscars auf 17 Prozent gestiegen“. Doch meinen Viele, dass dies erst ein kleiner, längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung sei.
Vielfalt vor und hinter der Kamera?
Aufschluss zur Diversität in der US-Branche gibt der jährliche Hollywood Diversity Report der University of California. Ausgewertet werden die Top Veröffentlichungen im Kino und Streamingbereich in den USA. Laut den Zahlen aus dem Jahr 2022 lag der Anteil von BiPoC Personen unter den Hauptdarsteller:innen bei 21,6 Prozent (siehe Abbildung oben), bei den Regisseur:innen sind es 23 Prozent, Drehbuchautor:innen kommen auf 20 Prozent.
Die zweite Gruppe mit Diversitätsmerkmal, die in Hollywood, besonders hinter der Kamera, noch immer um Sichtbarkeit kämpfen sind Frauen. 25 Prozent der Regisseur:innen und 36 Prozent der Drehbuchautor:innen der Top-Streaming-Filme 2022 waren Frauen. Betrachtet man die Situation in Europa waren zwischen 2015 und 2018 nur 22 Prozent der Regisseur:innen europäischer Spielfilme Frauen, der Anteil lag bei den Drehbuchautorinnen mit 25 Prozent etwas höher.
Ebenfalls übereinstimmend zeigen Untersuchungen, wie die Diversität hinter der Kamera auch einen erheblichen Einfluss auf die Besetzung von Filmen hat. Im UCLA Report weisen Filme, bei denen die Regie von BIPoC Personen oder Frauen geführt wird, eine diversere Besetzung auf. Auch zeigt sich das Geschlechterverhältnis unter weiblicher Regie in der Regel ausgeglichener.
Im Report wird deutlich, dass Filme mit hoher Diversität in der Regel mit niedrigen Budgets produziert werden. Je größer also das Budget, desto geringer die Gleichstellung vor und hinter der Kamera?
Bedeutet mehr Vielfalt auch weniger Budget?
Die Fakten scheinen eindeutig. Im Allgemeinen waren Frauen von der Regie bei den Kinofilmen mit den größten Budgets meist ausgeschlossen. „Für die Top-Streaming-Veröffentlichungen erhielten BIPOC Regisseur:innen, tendenziell geringere Budgets als weiße Frauen und insbesondere als weiße Männer“, hält der Report fest.
Laut eines Berichts der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle zur Situation in Europa ist die Situation vor und hinter der Kamera vergleichbar.
All dies bedeutet, dass ein wesentlicher Teil der Bevölkerung nicht auf allen Ebenen der Filmproduktion beteiligt ist. Ihre unmittelbaren Stimmen, Ansichten und Erfahrungen erhalten daher kaum Raum. Letztlich verlangt das diverse Publikum ein ebensolches Angebot an Filminhalten, was wiederum mehr Diversität vor und hinter der Kamera erfordert.
All dies ist eigentlich ein Widerspruch in sich. So erzielten im Jahr 2022 Kinofilme mit einer Besetzung von 31 bis 40 Prozent an Minderheiten den größten Erfolg. Filme mit einem Anteil von weniger als 11 Prozent an Minderheiten schnitten am schlechtesten ab. Diversität kann als Erfolgsfaktor gelten.
New evidence from 2022 continues to support findings from earlier reports in this series suggesting that America’s increasingly diverse audiences prefer diverse film content in both theatrical and streaming releases.
UCLA Hollywood Diversity Report 2022
Was sollte jetzt passieren?
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Probleme mit der geringen Diversität zu bewältigen. Um nach einer Lösung suchen zu können, müssen wir das Problem verstehen. Diversität hinter und vor der Kamera und damit gesellschaftliche Präsentation stehen in einem Zusammenhang. Ein Mangel an Diversität beginnt oft mit den begrenzten Möglichkeiten für Minderheiten und unterrepräsentierte Personen in einer bestimmten Branche Fuss zu fassen.
Ein positives Beispiel ist das British Film Institute Institute (BFI), das 2014 mit den „BFI Diversity Standards“ einen Rahmen entwickelte, um die Vielfalt in der britischen Filmindustrie zu fördern und zu unterstützen.
Er umfasst vier Bereiche: Repräsentation auf der Leinwand, kreative Führung, Zugang zur Branche und Ausbildungsmöglichkeiten sowie Vertriebs- und Ausstellungsstrategien. Um den Anforderungen der BFI Diversity Standards gerecht zu werden, müssen Filmemacher:innen mindestens zwei der vier Kriterien erfüllen.
Im Vereinigten Königreich haben die BFI-Standards den Wandel und das Bewusstsein für Diversität und Integration vorangetrieben und geschärft. Auch wenn diese Standards speziell für die britische Filmindustrie entwickelt wurden- und nicht international angewandt werden- könnten sie eine Inspiration für andere Länder sein.
Diversity Standards und andere Strategien
Über staatliche Finanzierungen können unabhängige Filmemacher durch die Bereitstellung spezieller Förderungen und Zuschüsse unterstützt werden. Ist die Förderung an Standards gebunden, ist dies ein Instrument, als Staat Filmunternehmen zu motivieren, die Vielfalt zu erhöhen.
Filmproduktionsunternehmen sollten aktiv nach Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund suchen und diese auch einstellen. Dieser Prozess kann mit Mentoren- und Praktikantenprogrammen bereits während der Ausbildung beginnen.
Schulen und Universitäten spielen im Rahmen der Ausbildung eine Rolle und haben Einfluss darauf, wer zukünftig in der Branche arbeitet. Diversität und Inklusion als Teil des Lehrplans, kann dieses Problem aufgreifen.
Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Fachleuten -die Ratschläge, Unterstützung und Möglichkeiten anbieten- kann helfen, Barrieren zu überwinden und einen inklusiven Weg in die Branche zu schaffen.
Die Anerkennung der Leistungen diverser Filmemacher:innen ist entscheidend für die Förderung der Vielfalt. Die Würdigung von Filmen und Akteur:innen schafft positive Aufmerksamkeit und könnte andere aus unterrepräsentierten Gemeinschaften in Zukunft zu inspirieren.
Auf der anderen Seite können wir – als Zuschauer:innen – Filme aussuchen, die bestimmte Diversitätsstandards erfüllen. Zu diesen ein positives Feedback schreiben oder unsere Erfahrungen mit unseren Freunden teilen.
Schritte in die richtige Richtung
„Vor 25 Jahren waren 17 Prozent der Regisseure, Autoren, Produzenten, Produktionsleiter, Cutter und Kameraleute, die an den 250 umsatzstärksten US-Filmen beteiligt waren, Frauen.“ Im Jahr 2022 sind es 24 Prozent, berichtet Insidehook. Auch sei der Anteil von BIPoC Filmemacher:innen seit diesem Jahrzehnt gestiegen und lag bei „farbigen, asiatischen, hispanischen, lateinamerikanischen und multiethnischen Filmemacher:innen“ im letzten Jahr bei 20,7 Prozent.
Es liegt auf der Hand, dass die Steigerung der Diversität vor und hinter der Kamera für die Schaffung einer integrativen und repräsentativen Filmindustrie von entscheidender Bedeutung ist. Damit Filme in Zukunft vielfältiger werden, gibt es viele Ansatzpunkte. Seien es die Produktionsfirmen, z. B. mit Mentorenprogrammen, die Schulen und Universitäten mit der Einbeziehung in den Lehrplan, die Casting-Direktor:innen mit vielfältigeren Besetzungen, die Regierung mit Förderprogrammen, die Zuschauer:innen mit ihrer Filmauswahl oder die Gesellschaft im Allgemeinen mit der Anerkennung und Wertschätzung solcher Filme. Mit jeder Unterstützung gehen wir somit immer einen Schritt weiter in die richtige Richtung.
Bild: stockphoto
Grafik: Fiona Walatscher
Quellen und weiterführende Links:
- Hollywood Diversity Report 2023, Part 1: Film. Los Angeles: UCLA Entertainment & Media Research Initiative, Ramón, A.-C., Tran, M. and Hunt, D. (2023) p. 66.
- Hollywood needs diversity behind the camera as well, Bhattacharya, T. (2023) Aljazeera.
- Here’s where Hollywood’s efforts to improve diversity really stand in 2022, Boorstin, J. and Taylor, H. (2022), CNBC.
- How #OscarsSoWhite changed the Academy Awards, Long, S. (2023) BBC News.
- New Reports Confirm That Hollywood Still Has a Pretty Bad Diversity Problem,Stiernberg, B. (2023), Inside Hook.
- Wie rassistisch ist Hollywood?, Stuflesser, W. (2016), Deutschlandfunk.
- Diversität und Inklusion im europäischen audiovisuellen Sektor. Straßburg: Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Cabrera Blázquez, F.J. et al. (2021), p. 132.
- BFI Diversity Standards
- A producer’s perspective on working with the BFI Diversity Standards, Ellis-Unwin, G., ScreenSkills.
- 4 ways media and entertainment could be more equitable and diverse, Zafar, H. (2021), World Economic Forum.
- Gewächshaus
Dieser Beitrag ist in Kooperation mit dem Bachelorstudiengang Medienmanagement an der FH St. Pölten im Wahlpflichtmodul „Mediensoziologie, Gender und Diversity“ (Leitung: Mag. Dr. Gaby Falböck; LV-Mitverantworliche: Mag. Christina Krakovsky) entstanden.
Grafiken: Fiona Walatscher
Foto: Michael Warren // Getty Images
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